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Die Frauenministerin meint dazu, dass man ganz dringend „die Gewichtung des Indikators“ überprüfen müsse, weil wir sind eh voll gut. Und der Rest von Österreich? Stimmen Sie ab:

a) Stimmt nicht! Frauen sind eh schon überall gleichgestellt! Fast schon zu sehr!

b) Ja, eh. Das ist eben so. Die Frauen wollen das auch gar nicht! Und man kann ja nicht alles können! Es gibt schließlich eine natürliche Ordnung der Dinge

c) Ja keine Ahnung. Ich wüsste gern, wie das ist.

Wenn Sie a) gewählt haben, atmen Sie tief durch und überprüfen Sie Ihren Blutdruck. Nichts von dem, was jetzt kommt, wird Ihnen gefallen. Sollten Sie zu der Sorte Mensch gehören, bei denen die vier apokalyptischen Reiter der Boomer-Generation: „Vegan“, „Windräder“, „Tempolimit“ , „Gender“ einen Herzanfall auslösen könnten, lesen Sie bitte ausschließlich auf eigene Gefahr weiter! Danke.

Sie waren mehr für b)? Diese Ansicht teilen Sie vermutlich mit den meisten ihrer Kolleg:innen. Für Sie wirds hier spannend.

Es war c)? Gratuliere. Sie sind die einzige, völlig unvoreingenommene Person, die das liest.

Wenn die a) Fraktion ihre Blutdruckmedikamente genommen hat, gehen wir es an, okay?

Also: Der Gleichstellungsindex betrachtet 4 Teilbereiche.

1. Die wirtschaftliche Teilhabe von Frauen, da sind wir recht gut, Frauen gibt’s im Arbeitsleben ganz viele, da unterscheiden wir uns nicht besonders von anderen Industrienationen.

2. Der Zugang zur Bildung – super sind wir da, weil sogar mehr Frauen als Männer zu studieren anfangen.

3. Gesundheit und Lebenserwartung – keine Frage, immerhin sind wir ein reiches Land und dementsprechend ist Gesundheit und Lebenserwartung.


4. Die politische Teilhabe. Ui, das war es, was Österreich weltweit auf Platz 47 (und innerhalb Europas auf Platz 22) gebracht hat. Wir haben recht wenige Frauen in politischen Ämtern und im Parlament, diverse politische Machtwechsel haben diesen Absturz innerhalb eines Jahres herbeigeführt. Die Frauenministerin sagte ja, man müsse die Kriterien überprüfen und wir hätten uns sogar in drei Teilbereichen verbessert – ja, eh. Aber – wie ist denn das für Frauen in politischen Ämtern (und an den Firmenspitzen)? War da nicht erst kürzlich etwas recht Ekelhaftes in Vorarlberg? Eine Politikerin hatte ihr Baby während einer Gemeinderatsitzung gestillt und wurde von ihren betrunkenen Kollegen angestänkert. Sofort fanden sich viele empörte Stimmen. Nicht wegen der während einer Sitzung bereits besoffenen Politiker, sondern wegen der Mutter, die ihr Kind dabeihatte. Je nach politischer Gruppierung finden sich wenig bis sehr wenige Frauen für die politische Arbeit – was mehr Gründe hat als das Stillen von Kleinkindern. (und die daraus folgende Schock- bzw. Ekelstarre der zufälligen Anwesenden)

Wer viel unterwegs sein muss, oft abends irgendwo dabei zu sein hat und unregelmäßige Arbeitszeiten hat, braucht jemanden an seiner Seite, der das mitträgt und unterstützt und den Großteil des Alltags, der zu leistenden Care- und Haushaltsarbeit übernimmt. Da wir wissen, dass dies in Österreich nach wie vor hauptsächlich von Frauen geleistet wird, und zwar unbezahlt, weil die jeweiligen Partner es einfach nicht tun, ist klar, warum so wenige Frauen aktiv in der Politik sind. Wie in Unternehmen auch reicht die Bezahlung erst ab einer gewissen Stufe für das Auslagern der Alltagsarbeiten an Personal.

Somit spiegelt die mangelnde Teilhabe der Frauen an politischer Arbeit und damit natürlich an allen politischen Entscheidungen ganz klar die herrschenden Verhältnisse: Von einer Gleichstellung sind wir weit entfernt. Sorry, Fraktion a). (Funktionieren die Blutdruckmedikamente eh? )

Howard ist tough, Heidi ist egoistisch.

Ja, aber! Die Frauen wollen das ja gar nicht! Und sie können es auch oft nicht! 
Dazu gibt es ein spannendes Experiment. Harvardstudent:innen bekamen ein Fallbeispiel einer sehr erfolgreichen Unternehmerin zu lesen – das von Heidi Roizen. Eine zweite Gruppe bekam dieselbe Geschichte zu lesen – aber der Name war jetzt Howard. 
Die Gruppen waren sich einig: Eine höchst kompetente Person mit beeindruckendem Lebenslauf und einer tollen, inspirierenden Karriere. Nur: Was bei Howard „tough“ und schätzenswert war, war bei Heidi: unsympathisch und abzulehnen.

Die erfolgreiche Frau ist offenbar jedermanns Feindin. So tief sitzen die Vorurteile darüber, welche Eigenschaften an einem Menschen „gut“, „akzeptiert“ und „wünschenswert“ sind, dass eine objektive Bewertung nicht möglich ist.

Dies zeigte auch eine Untersuchung von Performance-Beschreibungen von Offizier:innen der US Armee – objektive Messkriterien zeigten keinen Unterschied, die Beschreibungen aber sehr wohl. Frauen wurden signifikant häufiger und mit mehr Wörtern negativ beschrieben – 12 negative Ausdrücke im Gegensatz zu 2 bei Männern. (Bei den positiven Ausdrücken steht es bei 4 positiven Ausdrücken für Frauen – und 10 für Männer) Raten Sie: Was war z.B. das Äquivalent zu „analytisch“ (für Männer am häufigsten gebraucht) für Frauen? Genau: „einfühlsam“. Während „analytisch“ bei Frauen aber automatisch mit „bossy“ gleichgesetzt wird, gilt „einfühlsam“ bei Männern als „sweet“.

Eine böse Falle für jeden Rekrutierungsprozess, wenn die Bewertung einer zugeschriebenen Eigenschaft hauptsächlich von einem abhängt: Vom Geschlecht.

Heidi und Howard lernen es früh

Aber vielleicht können es die Frauen ja einfach nicht? Auch. Weil sie sich zusätzlich selbst aus dem Spiel nehmen. Stereotype Rollenbilder werden sehr früh übernommen – eine neue Studie aus den USA zeigt deutlich, dass 5jährige Kinder auf die Frage, welches Geschlecht eine besonders kluge Person wohl habe, ihr eigenes nehmen. Ein Jahr später nehmen auch die Mädchen eher an, dass es sich wohl um einen Mann handeln müsse – sich selbst trauen sie es nicht mehr zu. Das geht so weit, dass sie sich an ein ihnen angebotenes Spiel, das sich „an besonders schlaue Kinder“ richtet, mit 5 noch selbstverständlich heranwagen, mit 6 aber nicht mehr. Sie haben bereits „gelernt“, dass sie weniger kompetent sind als die Buben. Damit sinkt ihr Selbstwert, sie trauen sich weniger zu und verlieren ihre Ambitionen – mit weitreichenden Konsequenzen für ihre Karriere.

Was sagt uns also der Absturz Österreichs im Gleichstellungsindex? 
Dass Frauen nicht nur weniger oft in der Öffentlichkeit sichtbar sein werden, sondern dass sie auch weniger oft an politischen Entscheidungen beteiligt sein werden. Dass es noch weniger Rolemodels für Mädchen geben wird, die ihnen den Glauben an die eigene Kompetenz und an die Erreichbarkeit von hohen Zielen geben können. Und dass die Gemeinderäte, die sich so abfällig über ihre Kollegin geäußert haben, sich gar nicht vor dem Baby, der Brust oder dem Stillvorgang geekelt haben, sondern einfach – vor der Frau.

P.S. Sollte Ihnen der Blogartikel „bossy“ vorkommen, haben sie völlig recht. 




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