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Gestern traf ich eine Kollegin, die mir etwas verstört erzählte, dass sie gerade einen Auftrag verloren hätte. Durchaus vielversprechend habe sie und ihr Kollege bei einem Salzburger Unternehmen einen Change Prozess begonnen. Jetzt erhielt sie aber den Anruf des Kollegen, der ihr, sichtlich unangenehm berührt, mitteilte, dass der Firmeneigentümer die Order ausgegeben habe, sie dürfe nicht mehr kommen – das auf sie wartende Taxi sei jetzt zweimal auf seinem Parkplatz gestanden. Zweimal!!! So ist das, wenn man einen Narzissten kränkt. (Damit war aber auch schlagartig klar, woher die Probleme in dem Unternehmen kommen)


Kommt Ihnen dieses bizarre Verhalten bekannt vor? Beileid, Sie arbeiten mit, oder vermutlich unter, einem Narzissten.

Warum der Narzisst eher ihr Vorgesetzter ist als ihr Kollege? Er ist strahlend. Er versprüht sein Charisma und seine Selbstsicherheit auf jedem Board-Meeting. Er ist so charmant, dass die Personaler sich beim Einstellungsgespräch fragen, wie sie dieses Ausnahmetalent von Führungskraft bis jetzt übersehen konnten. Seine Ideen sind wahnsinnig innovativ, ja gewagt. Sein Vortrag reißt mit. Ja, mit so einem dominanten, mutigen, entschlossenen Erfolgstypen wird man das Ruder herumreißen können!

Dahinter steckt eine überkommene Theorie von Führung – der Mutigste und Stärkste ist der beste Anführer. Leider galt das nicht einmal für mittelalterliche Schlachten.

Die besten Anführer:innen sind „people oriented“, die Mitarbeiter:innen zu Höchstleistungen entwickeln, die Karrieren fördern, die Erfolge ermöglichen. Genau das macht der Narzisst nämlich NICHT. Der einzige Mensch, um den es ihm geht – ist er selbst. Ja es geht ihm nicht einmal um das Unternehmen – sein persönlicher Sieg, sein höchsteigener Erfolg ist das oberste Ziel.

An diesen 5 Anzeichen erkennen Sie den Narzissten:
(nach Charles O'Reilly von der Stanford Graduate School of Business und Jennifer Chatman von der University of California)

Grandiosität

Er betritt den Raum nicht, er erscheint. Charmant, einnehmend und platzgreifend führt er das Gespräch, das Meeting, die Diskussion. Ihre Meinung interessiert ihn aber nicht, denn er ist vor allem eins: Besser als Sie. Besser als jeder andere. ER hat die Ideen, ER hat die Lösungen. Immer. Auch wenn er von der Sache keine Ahnung hat. Wehe, Sie erkennen das nicht an. Noch schlimmer, wenn Sie leise Kritik anbringen wollen. Sie werden seinen gesamten Vorrat an Arroganz und Überheblichkeit spüren, Sie kleiner Wurm, Sie!

Anspruchsberechtigung

Regeln gelten für ihn nicht, zumindest nicht die, die das gewöhnliche Mitarbeitervolk zu befolgen hat. Sie haben Regeln für Meetings festgelegt? Ja er kann sich ja wohl nicht um solchen Kleinkram kümmern, oder? Die Regeln sind für SIE, nicht für ihn. Kann sein, dass er Ihnen ein „quod licet Jovi, non licet bovi“ entgegenschleudert, wenn Sie höflich auf pünktlichen Beginn oder auf das Einhalten der Agenda hinweisen. Weil – wer SIND Sie überhaupt?
 Unnötig zu sagen, dass seine Überzeugung, den üblichen Regeln des geschäftlichen Umgangs nicht verpflichtet zu sein, sich auch in seiner Rechtsauffassung widerspiegelt.

Manipulation und fehlende Integrität

Für den Narzissten ist es völlig legitim, Menschen zu benutzen, schließlich will er seine Ziele erreichen. Integrität ist dabei nur störend, das Konzept versteht er auch nicht – warum soll jemand wie er, der besser ist als die Mitarbeiter:innen und Kund:innen, sich an solche Zwänge halten? Anstand im Geschäft, Handschlagqualität – für das Raubtier in ihm, das den Erfolg will und braucht, ist das nichts. Regeln sind für die Schwachen, wird er gern mal sagen. Er aber ist ein „Macher“. Das, was für Sie Betrug ist, ist für ihn das Recht des Stärkeren. Also seines. Schuldgefühle? Was soll das sein? (Studien zeigen auch, dass Narzissten eher zu Betrug neigen.)

Feindseligkeit und Aggression

Der Narzisst ist immer auf der Hut, er ist hypervigilant. Wer sein Ego bedroht, muss mit seiner Feindseligkeit rechnen. Falls Sie jetzt glauben, aus dem Schneider zu sein: Sorry. Sie bedrohen sein Ego allein schon, wenn Sie ihn nicht bewundern. Von Kritik ist noch gar keine Rede. 
Sollten Sie den Fehler machen, ihn zu kritisieren, wird er unverhältnismäßig aggressiv. 
(Eine befreundete Therapeutin hatte einmal einen narzisstischen Klienten, der es wegen seiner fehlenden höheren Schulbildung nicht in eine Führungsposition geschafft hatte und zum wiederholten Mal seinen Job hinschmiss. Auf Befragen, warum denn diesmal, zeigte er ihr wütend ein Mail seines Arbeitgebers. Dieser hatte ihm seinen Einsatzplan geschickt. Und zwar „nur“ mit Lieber xy, der Liste der Arbeitseinsätze und LG yz. So eine mangelnde Wertschätzung seiner Person müsse er sich nicht gefallen lassen, der rede ja mit ihm wie mit Personal. Er habe ihm ordentlich die Meinung gesagt und jetzt sei er gekündigt)

Übermäßiges Selbstbewusstsein und Risikofreudigkeit

Der Schlüssel für den Erfolg der Narzissten in den Chefetagen. Sie entsprechen dem früheren Idealbild einer Führungsperson: Ein Leader. Ein Macher. Zweifelt nie an seinen Fähigkeiten und übernimmt daher auch Aufgaben, die er nicht mal ansatzweise beherrscht. Weil er aber extrem von sich überzeugt ist, schätzt er auch ein eventuelles Risiko falsch ein – was soll schon sein? Er kanns ja! 
Narzissten halten sich oft recht lang – ihre Mitarbeiter:innen sorgen dafür, dass der Laden läuft, der Narzisst schmückt sich problemlos mit deren Ergebnissen und wälzt Fehler ebenso problemlos auf die Mitarbeiter:innen ab. 
So lange das funktioniert, schaut man ihm auch nicht besonders auf die Finger, wozu auch, er bringt die gewünschten Ergebnisse. Leider ist es dann oft zu spät, wenn er enttarnt wird. Vor allem, weil er keine Kritik zulässt, einen einmal eingeschlagenen Weg nicht mehr verlässt, weil er ja keine Fehler zugeben kann. Dann gibt es eine Gewinnwarnung und das Unternehmensklima ist nachhaltig vergiftet – die Mitarbeiter:innen haben sich daran gewöhnt, dass man nur durch Täuschung, das Verschleiern und Verbergen von Fehlern, durch Speichelleckerei und blinden Gehorsam überlebt – eine tödliche Mixtur für jedes Unternehmen.

Wie vermeidet man Narzissten im Unternehmen?

O'Reilly und Chatman geben drei Empfehlungen, wie man den Schaden zumindest abmildern kann:
Belohnen Sie Teamarbeit anstatt nur eine individuelle Leistung. Für den Narzissten ist es nicht erstrebenswert, dass das Team die Leistung erbracht hat – wenn er seine Überlegenheit nicht darstellen kann, lohnt es sich für ihn nicht.

Vermeiden Sie am besten seine Einstellung. Legen Sie Wert auf die Aussagen seiner früheren Teammitglieder – und auf das, was er von seinen Teammitgliedern sagt!

Führen Sie 360° Feedback bzw. Leistungsbeurteilung ein – eine größtmögliche Abhängigkeit der Vergütung von diesen Ergebnissen hat sich bewährt.

Ein ernstes Wort zum Schluss: Der Narzisst ist, sowohl im beruflichen, als auch im privaten Umfeld, toxisch. Achten Sie auf gute Selfcare – denn der Narzisst weiß immer, wo er Sie trifft – und er tut es, wenn er einen Vorteil für sich sieht. Es ist kein Trost, aber bedenken Sie, Sie sind nicht als Person gemeint, als solche hat er Sie nie wahrgenommen. 

Wie Sie Narzissten im Vorstellungsgespräch erkennen können, finden Sie hier.



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