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Vorsicht vor dem Narzissten!
 Sollten Sie so ein Schild an einer Ihrer Bürotüren anbringen? Hoffentlich nicht. 


Es wäre so tröstlich, wenn man einfach ein paar Tipps schreiben könnte, wie man Narzissten gleich bei der Einstellung vermeidet, wie man sie – an 5 Punkten oder an drei Anzeichen – leicht erkennt und wie man sie unschädlich macht, wenn man sie irrtümlich eingestellt hat.

Leider ist das hier nicht die Hausfrauenzeitschrift „Die moderne Frau und ihr Haushalt“, sondern (heute mal) die Kummer-Ecke für Personaler:innen.
Ein typisches Thema der Frauenzeitschrift ist ja: „Wie find ich ihn, wie bleibt er mir, wie komm ich drauf, dass er mich betrügt?“ Ein endloses Thema, vor allem, weil es von falschen Voraussetzungen ausgeht. 
Es geht nicht vorrangig ums „wie?“ – sondern, wie im Auswahlprozess auch, um das „Wen suche ich überhaupt?“ Das „Wie“ ergibt sich daraus sowieso. 
(Kompetent und erfahren? Den finde ich beim Mitbewerb. Jung, hungrig und abenteuerlustig? Uni oder Volksgarten Clubbing. 😉 ) Ein unzulässiger Vergleich? Nein. Denn oft soll der neue Mitarbeiter in der Führungsetage ebenso wie der neue Partner ein Problem lösen – das mit ihm nichts zu tun hat. Soll er „den Karren aus dem Dreck ziehen?“ Oder „endlich hart durchgreifen?“, und „dieses schwierige Team auf Linie bringen“? Und so wie die moderne Hausfrau gehen auch erfahrene Personaler in die Falle und geraten an einen Narzissten. 


Was kein Wunder ist – er ist der strahlende Held. Der Ritter auf dem weißen Pferd. Ausgesucht höflich, ja galant, zu Frauen, jovial zu den Männern. Was Sie in diesem Augenblick für ein höchst angenehmes Benehmen halten, ist Taktik. In den Augen des Narzissten heiligt der Zweck immer die Mittel und er lässt sich - in seiner Wahrnehmung - gerade zu Ihnen herab. 
Dieses Vorgaukeln aller von Ihnen gewünschten Eigenschaften beherrscht er perfekt, hier ist ihm nicht beizukommen. 

Aber. (Endlich, oder? Sie fürchteten schon, das ginge so weiter!) Der Autor und Managementtrainer Victor Lipman bringt es auf den Punkt: „Wenn etwas zu schön ist, um wahr zu sein, ist es das wahrscheinlich auch.“ Und weil Sie ja Personaler:in sind und nicht blind vor Liebe und Verzweiflung, können Sie diesen Rat beherzigen und ihm genau zuhören, dem Prinzen.


Er kann sich zwar verstellen wie er will, aber eins kann er nicht: Über andere und über Erfolge anderer wertschätzend sprechen. Sein Thema ist: ER.

Wenn Sie das Budget haben, lassen Sie unbedingt die Kandidat:innen durch ein Assessmentcenter auswählen. 4-6 Augen sehen mehr als 2 und mehrere Ohren hören besser. Außerdem haben sich besonders die gruppendynamischen Formate in den Assessments als hilfreich herausgestellt – denn im Einzelinterview glänzt der Narzisst sowieso, aber wenn er uneigennützig in einem Teamspiel jemandem helfen soll, wird er es vermutlich nicht tun – oder er wird den Teamerfolg später für sich reklamieren.

Sollten Sie das Budget nicht haben, bleibt Ihnen die Möglichkeit, Aufnahmegespräche wenigstens zu zweit zu führen und sich passende Fragen zurechtzulegen: Das Autor:innenkollektiv von „Slack“ schlägt zum Beispiel folgende drei Fragen vor:


„Welche ihrer persönliche Überzeugungen haben sie letztes Jahr revidiert?“
„Was war der beste (und was war der schlechteste) Rat, den Sie jemals bekommen haben?
„Erzählen Sie mir, wann einmal Glück in Ihrem Leben eine Rolle gespielt hat!“

 Für alle drei Fragen muss der Kandidat die Vergangenheit reflektieren und seinen Denkprozess erklären – Ihre zweite Person beim Interview kann sich besonders „sprechende“ Aussagen notieren. Sie werden überrascht sein, wenn Sie diese in Ruhe hinterher lesen!
 Die letzte Frage aber zeigt, ob der Kandidat eine Wahrnehmung für äußere Einflüsse hat – die nicht einer narzisstischen „Grandiosität“ geschuldet sind.

Josh Tolan von Spark Hire, schlägt zusätzlich vor, nach gemachten Fehlern zu fragen – und, was der Kandidat besser hätte machen können.
 Ebenso verräterisch ist die Frage: „Welche Fähigkeiten/Skills haben Sie noch nicht?“
 Der Narzisst wird die Frage, was er besser hätte machen können, extern referenzieren – etwa, einen Feind im Unternehmen früher identifizieren, ansonsten ist er sicher ohne Schuld. Und, wie die zweite Frage zeigen wird – er kann und weiß bereits alles.

Benedikt Hell und Nadine Schneider von HR today wiederum setzen auf psychologisch fundierte, strukturierte Interviews und raten dazu, Erfolgsgeschichten konkretisieren zu lassen – wie konnten diese einzigartigen Erfolge erzielt werden? Wer war beteiligt?

Fazit:
Fragen und Zuhören. 
Eine „too good to be true?“ Bedenkminute einlegen. (Oder Andre Heller im Hinterkopf singen hören, der sagt: „Misstraue der Idylle, sie ist ein Mörderstück. Schlägst du dich auf ihre Seite, schlägt sie dich zurück!“)

Vor allem aber überprüfen Sie sich bitte schonungslos selbst, ob Sie die grausliche Krot in der weißen Ritterrüstung nur nehmen wollen, weil Sie ein Problem lösen müssen. 
Das ist ein schlechter Deal. Auch wenn das Problem weg sein sollte – die Krot bleibt.


Mehr zu Narzissten im Chefsessel finden Sie hier.



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